Gemeinsame Pressemitteilung zum Abweisungsbeschluss des VGH in Mannheim

Neckarwestheim/Hamburg, den 15.12.2022

Sicherheitsregeln umgedeutet, AKW Neckarwestheim II darf laut VGH trotzdem weiterlaufen Gerichtsverhandlung bestätigt gravierende Verstöße gegen Sicherheitskonzepte und die fortdauernde Riss-Gefahr im AKW Neckarwestheim II / die Kläger*innen können Umweltministerium aber nicht zwingen, das AKW vom Netz zu nehmen

Zum heute mitgeteilten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Streit um die Betriebsgenehmigung des Risse-Reaktors Neckarwestheim II erklären Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt und Franz Wagner vom BBMN (Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar e.V.):
„Das Mannheimer Gericht teilte heute mit, dass es unsere Klage abweist. Die Verhandlung gestern vor dem VGH hatte allerdings die zahlreichen Abweichungen gegen Sicherheitsregeln im AKW Neckarwestheim II bestätigt. Der Reaktor, in dem sich bereits mehr als 350 Risse gebildet haben, wird seit Jahren regelwerkswidrig betrieben und gewartet. Systematische Fehler, die zu schweren Störfällen bis hin zur Kernschmelze führen können, werden nicht behoben. Schnell wachsende Risse an dünnwandigen Rohren des Reaktorkreislaufs werden entgegen der Vorschriften nicht verhindert. Das baden-württembergische Umweltministerium und seine Gutachter räumten vor Gericht ein, dass „die Rissmechanismen weiterhin aktiv“ seien, aber sie glauben, mit ihren Maßnahmen die Gefahren beherrschen zu können und im Fall der Fälle schnell genug reagieren zu können, was aus unserer Sicht die Sicherheitsprinzipien des Atomrechts auf den Kopf stellt.

Der Klage von Atomkraftgegner*innen auf vorläufigen Widerruf der Betriebsgenehmigung des AKW gab das Gericht dennoch nicht statt. Die Richter befanden, die von den Rissen ausgehende Gefahr sei nicht groß genug, um in die Entscheidungen der Atomaufsicht einzugreifen. Das Umweltministerium dürfe ungeachtet der von uns nachgewiesenen Regelverstöße am Weiterbetrieb des Reaktors festhalten, wenn es diesen für sicher erachte. Das Gericht verzichtet damit auf die der Gewaltenteilung innewohnende Kontrollaufgabe der Justiz.

Was die Sicherheit vor Atomunfällen angeht, ist das ein schwarzer Tag. Auch für den Staatskonzern EnBW darf es keine faulen Sicherheitsrabatte geben. Atomkraft ist eine Höchstrisikotechnologie. Um das Risiko zumindest einzudämmen, ist eine kompetente und kritische Atomaufsicht erforderlich, welche die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung gegen die Profitinteressen der AKW-Betreiber stellt. Das Verfahren um die Risse in Neckarwestheim hat gezeigt, dass selbst grün geführte Ministerien dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen sind. Das ist ein weiterer Grund, die Nutzung der Atomkraft in Deutschland schnellstens zu beenden.

Die Auffassung des Gerichts, dass der Weiterbetrieb des Reaktors trotz des freihändigen Umgangs mit den Sicherheitsregeln und der weiter auftretenden und noch zunehmenden Risse im Ermessen der Behörde liege, ist mit der vom Bundesverfassungsgericht verlangten ‚bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge‘ im Atombereich nicht in Einklang zu bringen. Wir werden deshalb Rechtsmittel gegen das Urteil prüfen.

Mehrmals in der Verhandlung ließ das Umweltministerium durchblicken, dass viele der Maßnahmen zur Minderung der Risiken durch die Risse, die von EnBW und Atomaufsicht unternommen wurden, überhaupt nur deshalb gemacht wurden, weil wir seit jetzt bereits 4,5 Jahren immer wieder die Mängel aufgeckt haben. Wir haben zwar die Klage verloren, aber wir haben die Risiken, die vom AKW Neckarwestheim ausgehen, zumindest verkleinern können.“

Hintergrund:
Im AKW Neckarwestheim II werden seit 2018 jedes Jahr neue Risse an wichtigen Rohren des Reaktorkreislaufs nachgewiesen. Bei den Rissen handelt es sich um Spannungsrisskorrosion und damit um dieselbe Art Risse, wegen der aktuell zahlreiche französische AKW stillliegen, jedoch in Neckarwestheim an noch kritischeren Rohren als in Frankreich. Mit Unterstützung der bundesweiten Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt und des BBMN haben 2020 zwei Anwohner*innen des AKW den vorläufigen Widerruf der Betriebsgenehmigung des AKW bis zur vollständigen Beseitigung der Rissgefahr beantragt und anschließend gegen die Ablehnung dieses Antrags geklagt. Infos: https://ausgestrahlt.de/akw-neckarwestheim

Irrer Zank von Streithähnen gefährdet die Zukunft

  • Ideologie siegt über Fakten und Verantwortung
    Auch mit Scholz‘ Basta-Wort bleibt Atomkraft hoch gefährlich

    Selbst bei der Atomkraft-freundlichsten Auslegung des Stromnetz-Stresstrests spielt das AKW Emsland keine Rolle. Dass es jetzt nach Vorgabe von Kanzler Scholz trotzdem weiterlaufen soll, nur um Ruhe zwischen die Schreihälse der FDP und die pokernde Grünen-Führung zu bringen, ist eine politische Bankrott-Erklärung.

    Wir haben eine Regierung, die die Energiewende aktiv verschlafen hat, die sich nicht für ein Ende des Kriegs in der Ukraine einsetzt, der die Super-GAU-Gefahr in Saporischschja ebenso egal ist wie die Methan-Lecks der großen Pipelines, die die Energiepreisspekulation noch anfacht und und statt einer Übergewinnsteuer nur weitere Umverteilung von unten nach oben betreibt – trotz drohender Massenarmut. Und womit beschäftigt sie sich seit Monaten?
    Mit einem komplett faktenfreien Streit über Atomkraft.
    Und wozu dieser künstliche Streit? Dabei geht es nur um zweierlei: erstens vom Versagen der Regierung bei ihren tatsächlichen Aufgaben abzulenken, indem man die Scheinlösung Atomkraft anpreist. Und zweitens war und ist es ein brutaler Machtkampf innerhalb der Koalition, in dem es nicht um die Sache, sondern nur um die Hackordnung geht. Und dieser Hahnenkampf wird weiter gehen, zusätzlich geschürt durch die ideologische Nähe der FDP zu AfD und CDU/CSU.
    Dabei sind die Fakten verhältnismäßig einfach:

  • jeder Tag Atomkraft schafft eine unverantwortbare Gefahr.
  • jeder Tag AKW-Betrieb bremst die überlebensnotwendige Energiewende aus.
  • etwaige Stromlücken und etwaige Stromnetz-Instabilitäten sind Folge gröbster Fehlanreize im Strommarkt (Stichworte: „Kupferplatte“, „Redispatch“, Missachtung der Handelsregeln, Stromspekulation, usw.). Alle diese Probleme müssen endlich durch ein sachgerechtes Strommarkt-Design gelöst werden. Atomstrom löst kein einziges dieser Probleme.
  • die Atomgefahren verschärfen sich zusätzlich durch die Altersschwäche der AKWs.
  • Bereits seit Jahren werden die AKWs in Deutschland mit einem unverantwortlichen „Rabatt“ auf die Sicherheitsregeln betrieben. Diese Risikoerhöhung wurde immer mit dem vermeintlichfeststehenden Ende des AKW-Betriebs entschuldigt. Dieser Bogen wird immer weiterüberspannt, nicht gemäß technischer Fakten, sondern nach politischem Wunschdenken.
  • die jetzt geplanten Änderungen des Atomgesetzes würden zentrale Grundsätze desAtomrechts niederreißen und damit die Tür für jegliche weitere Willkür öffnen.
  • in allen drei derzeit betroffenen Bundesländern haben sich die für die Atomaufsicht zuständigen Ministerien bislang als willfährige Atomdienstleister gezeigt und fallen alsKontrollinstanzen leider aus.
  • Gesetzesänderungen sind an anderer Stelle nötig, damit endlich die falschen Bremsen fürErneuerbare Energien wegfallen.

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